Baustile – Wohnungsbau Nachkriegszeit – Großwohnsiedlungen


Nach dem 2. Weltkrieg herrschte in den deutschen Städten akute Wohnungsnot. Unter den Prioritäten des Krieges war jeglicher Wohnungsbau zum Erliegen gekommen. Und durch die Bombenangriffe der Alliierten, hatten die deutschen Städte auch bei Wohnhäusern viele Verluste zu verzeichnen. Das Bild der deutschen Trümmerfrauen, das so prägnant geblieben ist, macht deutlich, wie viele Häuser im städtischen Raum zerstört worden waren. Zudem kehrten nach Kriegsende Aussiedler aus den ehemaligen Ostgebieten Deutschlands zurück. Auch sie brauchten Wohnraum.
Bis in die 80er Jahre hatte also der Wohnungsbau auf kommunaler Ebene größte Priorität. Neben dem Auffüllen von Baulücken im städtischen Raum waren die 60er Jahren vor allem von sehr ambitionierten städtischen Großwohnsiedlungen geprägt (zum Beispiel das Märkische Viertel oder Gropiusstadt in West-Berlin). Sie zeichnen sind durch ihren einheitlichen hochgeschossigen Baustil aus und entstanden innerhalb kürzester Zeit. Die Grundlage für diese Entwicklung bildete eine aktive Wohnraumpolitik, die vor allem mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz von 1957 in Angriff genommen wurde. Hiernach sollte sozialer Wohnungsbau, also „Wohnungsbau unter besonderer Bevorzugung des Baues von Wohnungen, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für breite Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind, als vordringliche Aufgabe“ gefördert werden. Die Großwohnsiedlungen wurden auf unbebauten Flächen – auf der grünen Wiese – innerhalb der Stadtgrenzen errichtet und folgten ganzheitlichen Konzepten, in denen öffentliches Leben, Infrastruktur und Freizeitaktivitäten mit in die Entwürfe integriert wurden. Bauträger waren in den meisten Fällen städtische Gesellschaften oder Genossenschaften. So konnten mit Hilfe kommunaler Subventionen die Mieten unterhalb der Kostenmiete gehalten werden. Während diese großen neuen Wohnsiedlungen in den 60er und 70er Jahren vor allem junge Familien der Mittelschicht beherbergten und schwächere oder unterrepräsentierten Gesellschaftsschichten in den unsanierten Altbeständen der Städte lebten, gab es in den 80er Jahren einen Umschwung. Mit dem aufkommenden Ideal des Einfamilienhauses zog es junge Familien mehr und mehr in die Neubausiedlungen der ländlichen Umgebungen – das sogenannte Speckgürtel-Phänomen. Zugleich begannen die zentralen Altbauviertel der Städte für diese Bevölkerungsschichten wieder interessanter zu werden. Die Refugien, die sich Künstler, Studenten und Einwanderer dort auf Grund der günstigen Mieten geschaffen hatten, wurden nun für breitere Bevölkerungsschichten attraktiv. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist das sogenannten Schanzenviertel in Hamburg. Das Prestige der Großsiedlungen hingegen sank zunehmend und sie wurden immer mehr mit Armut, Arbeitslosigkeit und Verwahrlosung assoziiert. Auch wenn dies von den Einwohnern selten so gesehen wird, haftet Großsiedlungen in der allgemeinen Wahrnehmung ein schlechtes Image an. Die Notwendigkeiten, unter denen sie entstanden sind, werden dabei zumeist außer Acht gelassen. Unter ökologischen Gesichtspunkten sind Großsiedlungen sehr sinnvolle Wohnformen, die mit einfachen Mitteln zu sehr energieeffizienten und nachhaltigen Einheiten umgebaut werden können. Während der kommunale soziale Wohnungsbau Anfang der 2000er Jahre komplett zum Erliegen kam und vielerorts ehemalige soziale Wohnquartiere privatisiert wurden, wird heute – knapp 10 Jahre später – wieder von allen Seiten der Ruf nach bezahlbarem städtischem Wohnraum laut. Die große Aufgabe der Zukunft liegt darin, hierfür zeitgemäße und nachhaltige Lösungen zu finden.

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